«Tesla» zu Wasser
Alternative Antriebe auf Wasser hatten lange ein ähnliches
Schicksal wie jene in der Autowelt. Auf Messen wurde ihnen
wohlwollende Aufmerksamkeit zuteil, beim breiten Publikum lösten
sie aber kaum Kauflust aus. Wenn der Schweizer Bootsbauer Boesch heute
gut einen Drittel seines Umsatzes mit Elektroantrieb macht,
verdankt er dies dem Gesetzgeber in den Nachbarländern. Auf
österreichischen und bayrischen Seen wird kaum mehr ein Boot mit
Verbrennungsmotor zugelassen - oder höchstens mit dem Kauf einer
bis 300 000 Euro teuren Lizenz. Da lohnt sich der Aufpreis für die
Elektro-Ausrüstung des edlen Mahagonibootes aus der Kilchberger
Werft. Das kann dann schnell einmal doppelt so viel kosten wie das
gleiche Boot mit Benzinmotor.
Boesch gehört zu den Pionieren in diesem Segment. Die 620
Acapulco Electric Power, die an der Interboot Probe gefahren werden
konnte, erreicht mit der höchsten Motorisierung von 100 Kilowatt
eine Höchstgeschwindigkeit von 58 Kilometern pro Stunde. Würde man
allerdings mit Vollgas etwa den Zürichsee hochpreschen, müsste man
in Rapperswil einen sehr ausgedehnten Lunchhalt einplanen, damit
für die Rückfahrt die Batterien wieder geladen werden könnten. An
der Interboot war auch ein extrem leichter Campion
Bowrider mit einen 180 PS starken E-Fusion-Aussenborder zu
sehen. Mit dieser Rennmaschine wird dank dem höheren Drehmoment des
Elektromotors auch Wasserski zur neuen Erfahrung. Doch trotz dem
enormen Fortschritt der Lithium-Polymer-Akkus ist nach einer halben
Stunde Vollgas Schluss. Dazu kommt der hohe Preis von rund 55 000
Franken allein für den Motor. Vermutlich tut man der Promotion
alternativer Bootsantriebe keinen Gefallen, wenn man allein den
Speed-Bereich anvisiert. Der «Tesla auf Wasser» wird die gleichen
Akzeptanzprobleme haben wie der Sportwagen.
Erfolgsgeschichte
Im Hafen von Romanshorn liegt eine Greenline 33 Hybrid. Eine
überzeugende, elegante Raumlösung auf den 10 Metern Länge macht
Lust auf einen längeren Törn. Der stolze Eigner war einer der
ersten, die sich an der Interboot 2009 begeistern liessen. Er
übernahm sie zur nächsten Saison mit einem Tank, gefüllt mit 350
Litern Diesel. Im Sommer 2013 kam er erstmals wieder zur
Zapfsäule.
Greenline ist eine Erfolgsgeschichte. 350 Jachten wurden
weltweit bisher verkauft, 35 allein am Bodensee. Der slowenische
Technologiekonzern Seaway kombinierte bei diesem Schiff das Beste
aus allen Energiequellen.
Ein typischer Tag mit dem Spar-Künstler auf See könnte etwa so
aussehen: Über Nacht ist über den normalen Stromanschluss am Steg
die Batteriebank geladen worden. Nahezu geräuschlos gleitet das
Schiff aus dem Hafen. Die patentierte Rumpfform mit Anleihen beim
U-Boot verursacht kaum Wellen und minimiert zusätzlich den
Energieverbrauch. Mit der Geschwindigkeit einer Segeljacht bei
mittlerem Wind wird zwei Stunden gefahren bis zum Ankern in der
Badebucht. Der Wein kommt aus dem Kühlschrank mit
230-Volt-Anschluss wie zu Hause, die Quiche kann im Ofen
aufgebacken werden, danach läuft die Espressomaschine. Während die
Passagiere sonnen, lädt das von der Ingenieurschule Biel
mitentwickelte Solardach die Batterien und lässt auch noch die
Musikanlage erklingen. Auf dem Rückweg zieht schlechtes Wetter auf,
der Hebel wird umgelegt und der Dieselmotor gestartet. Jetzt wird
mit Tempo 40 davongebraust - und dabei werden erst noch die
Batterien geladen.
In einer Saison soll das Schiff so nicht mehr Energie
verbrauchen und CO2 ausstossen als ein Segelboot gleicher Länge.
Anders als bei den Sportbooten wird es hier auch beim
Anschaffungspreis interessant. Die Greenline 33 mit
Hybrid-Solar-Ausrüstung kostet rund 207 000 Franken. Das sind nur 5
Prozent mehr als eine vergleichbare Jacht mit konventioneller
Motorisierung. Dabei sind die Einsparungen beim Betrieb noch nicht
eingerechnet. Kein Wunder, dass da so mancher sein Segel
einholt.
Und wem das Mittelmeer oder die Küsten Europas nicht mehr
reicht, auf den wartet die Greenline OceanClass mit Schiffen bis 27
Meter Länge.
Korrekturhinweis: In der ersten Fassung dieses Artikels wurde
fälschlichweise der Preis für den E-Fusion-Motor mit 95'000 Franken
angegeben. Soviel kostet aber Motor inklusive Boot.
Autorin: Ruth Spitzenpfeil
Original mit Video:
http://www.nzz.ch/lebensart/auto-mobil/eine-motorjacht-die-segler-schwach-werden-laesst-1.18168563